Am 21. Juli 1969, um 3.44 Uhr CET, gibt Flugdirektor Gene Kranz den Astronauten Armstrong und Aldrin den Befehl, das Triebwerk der Landestufe der Mondlandefähre zu zünden. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich Eagle mehr als 15.200 Meter über der Mondoberfläche und 480 Kilometer von der vorgesehenen Landestelle entfernt. Die nächsten zwölf Minuten werden über Erfolg oder Misserfolg der Mission entscheiden.
Gleich beim ersten Blick auf seine Konsole sieht Bales, dass mit den Daten etwas nicht stimmt. Wegen eines Navigationsfehlers entlang der Flugbahn geht der Bordcomputer davon aus, dass sich die Landefähre mit einer Geschwindigkeit von 6,1 Metern pro Sekunde dem Boden nähert: 22,5 Stundenkilometer schneller als es tatsächlich der Fall ist. Das Limit, bei dem ein Abbruch nötig ist, liegt bei 10,7 Metern pro Sekunde. Sollte sich dieser Fehler nicht beheben lassen, wird Bales nichts anderes übrigbleiben, als das Kommando zum Abbruch des Landeanflugs zu erteilen. Bales wird Jahre später sagen: „Von diesem Moment an stand ich Todesängste aus.“
Bales überwacht die Daten sorgfältig weiter. Dann plötzlich, etwa sechs Minuten vor der Landung, sehen Armstrong und Aldrin die Ziffern „1202“ auf dem Navigationscomputer der Mondfähre blinken.
„Zwölf-Null-Zwei, Zwölf-Null-Zwei“, liest Aldrin laut ab, worauf Armstrong mit deutlich vernehmbarer Anspannung fragt: „Was bedeutet der Programm-Alarm Zwölf-Null-Zwei?“
Immer wieder Fehlercode 1202
Die Ingenieure im sogenannten „Schützengraben“, der ersten Konsolenreihe des Kontrollzentrums, die sich um alle Aspekte der Flugsysteme kümmern, halten den Atem an. Trotz des ausgiebigen Trainings und der umfassenden Simulationen und Verfahrensanweisungen für Apollo 11, ist Alarm-Meldung 1202 für den Flugdirektor und Ingenieure in Houston etwas völlig Neues.
Nicht aber für Steve Bales.
„Man konnte ihren Stimmen entnehmen, dass Code 1202 die Besatzung sehr beunruhigte“, erinnert sich Bales. Aber er und sein Software-Support-Ingenieur Jack Garman sind bei einer Simulation zwei Wochen vor dem Start auf einen ganz ähnlichen Alarm gestoßen. Dieser wurde damals ausgelöst, weil der Navigationscomputer mit so vielen Berechnungsanfragen überflutet wurde, dass er nur die Aufgaben mit der höchsten Prioritätsstufe abarbeitete.
Bales erinnert sich: „Jack Garman sagte, dass wir einfach weitermachen sollten, wenn der Alarm nicht noch einmal angezeigt würde.“ Der Alarm stelle kein Problem dar, solange er nicht allzu oft auftrat. Aber was genau bedeutet „nicht allzu oft“?
Die Mondlandung hängt in diesem Moment vollkommen in der Schwebe. Und sie ruht auf den Schultern von Steve Bales. „Ich musste entscheiden, ob das Steuerungssystem weiterhin ordnungsgemäß funktionierte.“
Steve Bales – der Entscheider im Auge des Sturms
Da die von ihm beobachteten Daten nach wie vor kein Problem zu erkennen geben, sagt er in die Richtung von Gene Kranz, dem Flugdirektor, und Charlie Duke, dem für die Verbindung zwischen Bodenstation und Raumschiff verantwortlichen Capsule Communicator, laut „Go“. Beide hören das Kommando zur selben Zeit. Bales: „Normalerweise wartet der CapCom auf die Bestätigung des Flugdirektors, dass eine Anweisung an die Besatzung weitergegeben werden kann. Aber Charlie wusste, wie wichtig es war, dass das Kontrollzentrum den Alarm mit „Go“ quittiert. Er zögerte keine Sekunde und gab der Besatzung sofort Bescheid.“