Wenn es so weit ist, wird sie weinen, das weiß sie schon jetzt. Schließlich hat sie bisher jedes Mal vor Rührung Tränen in den Augen gehabt, wenn die Menschheit wieder einen Riesenschritt im All gemacht hat; zuletzt im April, als die Aufnahmen vom schwarzen Loch gelangen.
Nadine Smolka ist Ingenieurin bei der Berliner Firma PTScientists, die als erstes Privatunternehmen in Europa plant, ein Raumfahrzeug zum Mond zu schicken, und zwar schon 2021. Die 27-Jährige arbeitet mit ihrem Team daran, dass die Landung klappt – es ist das schwierigste Manöver der ganzen Mission. Bislang ist das keiner Privatfirma auf der Welt gelungen – auch nicht der israelischen SpaceIL. Deren Raumfahrzeug Beresheet erlitt auf dem Mond im April 2019 eine Bruchlandung.
Nadine Smolka, ständig wippender Pony, weil immer in Bewegung, einnehmendes Lächeln, wacher Blick, sagt: „Wenn wir es schaffen, haben wir den Apollo-Moment unserer Generation erreicht.“
Raumfahrt wird zur Privatsache
Bis vor etwa 20 Jahren war die Raumfahrt Sache des Staats. Ende der 1990er, rund zehn Jahre nach Ende des Kalten Kriegs, wagten erstmals Privatunternehmen, das All zu erkunden. Die Pioniere entwickelten Software, um die Erde von oben zu betrachten. Ein paar Jahre später schickten die ersten Unternehmer kleine erschwingliche Satelliten in den Orbit. Und seit Kurzem trauen sich Start-ups mit eigenen Raumschiffen ins Universum. Bisher mit mittelmäßigem Erfolg.
Sie wollte eigentlich etwas mit Kunst machen
Solange Nadine Smolka denken kann, ist sie vom Weltraum überwältigt. Wenn sie mit der Familie zelten war, schauten sie und ihr Bruder viele Nächte bis zum Tagesanbruch in den Himmel. Die Geschwister fesselte die Vorstellung, dass die Erde nur ein kleiner Teil von etwas unendlich Großen ist.
Nach dem Abi wollte Smolka zwar eigentlich „was mit Kunst machen“ – aber der Weltraum ließ sie nicht los. Sie jobbte im Hamburger Ausstellungshaus Deichtorhallen, als dort das „Horizon Field“ von Antony Gormley aufgestellt wurde: eine riesige, frei schwingende Platte, die mithilfe von Statikern und Ingenieuren montiert werden musste. Alle Wissenschaftler, mit denen Smolka im Museum arbeitete, fragten sie irgendwann, ob sie angesichts ihres Technikverständnisses wirklich Kunst machen wolle. Sie beschloss, den Naturwissenschaften eine Chance zu geben, und schrieb sich an der TU Berlin für physikalische Ingenieurwissenschaft ein.
Nach dem Vortrag einer NASA-Mitarbeiterin wollte sie unbedingt ins All
Nachdem sie gerade ihren Bachelor beendet hatte, besuchten sie und eine Freundin den Vortrag einer Mitarbeiterin der NASA – der Titel: „Reise zum Mars“. Anschließend wollte Smolka mit ihr und der Freundin ein Selfie schießen: „Wann hat man schon mal so eine Gelegenheit?“ Das Gespräch mit der NASA-Mitarbeiterin kam schnell auf Frauen in der Technik. „Wir brauchen Wissenschaftlerinnen wie euch“, sagte sie irgendwann zu den beiden.
So belegte Smolka im Masterstudium ausschließlich Kurse, in denen es um Raumfahrt ging. Ihr Spezialgebiet wurde die Düsenströmung bei Raketentriebwerken.