1957 sind die USA noch vier Jahre von ihrem ersten bemannten Raumflug entfernt und die Prototypen ihrer Raumanzüge noch sehr experimentell. Dieses Bild aus einer „Mondraum“ genannten Vakuumkammer illustriert die damals und bis heute größte Sorge: Risse in der Anzughaut, die den Menschen vor den aggressiven Bedingungen des Alls schützt. Der Druckanzug des unbekannten Forschers auf dem Foto ist um den Oberkörper starr. Und seine scheinbare Waffe stammt nicht aus irgendeinem Science-Fiction-Streifen – es ist ein elektronischer Detektor für Lecks in der Kapsel.
Eine kurze Geschichte der Raumanzüge












1957

1959

Ende der 1950er wird‘s ernst: Die NASA präsentiert die Mercury Seven – über Jahre ausgewählte und trainierte Elitepiloten, von denen einer der erste Amerikaner im All sein soll. Zu dieser Ehre – und Last – kommt Alan Shepard (hinten links) 1961. Zehn Jahre später wird er der fünfte Mensch auf dem Mond sein, wo er mit einem Golfset drei Fehlschläge und einen sehr weiten Schlag vollführt. Dass die Mercury-Anzüge recht kleidsam ausfallen, liegt an ihrem Zweck: Sie sind nur für den Druckabfall in der Kapsel konstruiert. Ein Notfall, der zum Glück nie eintritt. Da die Raumanzüge nicht unter Druck stehen müssen, sind sie weich und vergleichsweise angenehm zu tragen.
1962

Ein Hauch der poppigen späten 60er weht bereits 1962 durch die Mojave-Wüste, die wie eine Mondlandschaft anmutet. Der Prototyp eines Anzugs für die von Präsident Kennedy angekündigte Mondlandung stellt ein komplettes Lebenserhaltungssystem dar; der großräumige Helm soll sogar Platz zum Essen bieten. Der Trick: Der Astronaut kann die Arme aus den seitlichen Hüllen ziehen und im Anzug bewegen. Der Sauerstoff soll über eine feste Verbindung aus dem Landeschiff kommen – was aber in der Praxis die Beweglichkeit doch sehr eingeschränkt hätte.
1964

Die Crew von Gemini 3, ein knappes Jahr vor dem Start des ersten Zweierraumflugs der USA: Die Glücklichen sind John Young und Virgil Grissom (die Ersten von links). Der Anzug – sechs Schichten Nylon, in der Außenhaut Teflon – kommt mit tragbaren Druckluftbehältern, die auf Fotos gern weggelassen werden. Fun Fact: Young schmuggelt ein Corned-Beef-Sandwich an Bord, um es seinem Kommandanten Grissom zu schenken. Der verabscheut Astronautennahrung. „Fehlt nur der Senf!“ – Grissom ist erfreut, die NASA weniger, weil Krümel durchs Raumschiff fliegen. Young darf dennoch als neunter Mensch den Mond betreten: 1972 als Kommandant von Apollo 16.
1964

Zeit, sich auf den Mond vorzubereiten: Mit dem Umstieg vom Gemini- auf das Apollo-Programm ist die Landung auf unserem Trabanten nun zum konkreten Ziel geworden. Diese Studie eines Anzugs mit Lunar Excursion Module war ein wichtiger Schritt für das Mondprogramm. Ingenieur Bill Peterson zupft das umfangreiche Geschirr von Testpilot Bob Smyth zurecht. Die Herausforderung: Das Modul muss die komplette Lebenserhaltung leisten und trotzdem beweglich bleiben.
1964

Zur gleichen Zeit in Sambia: Ein Volksschullehrer namens Edward Mukuka Nkoloso verkündet, er werde den Amerikanern und Russen auf dem Mond zuvorkommen, und auch gleich auf dem Mars. Medien aus aller Welt stürzen sich darauf, auch weil schräge Aktionen zu Nkolosos Marketing-Programm gehören: Künftige „Afronauten“, wie Nkoloso seine afrikanischen Helden in spe nennt, rollen in einem ausrangierten Ölfass einen Hang hinunter. „Spacegirl“ Matha Mwamba, die mit Katzen und eventuell einem Missionar losfliegen soll, scheidet aufgrund von Schwangerschaft aus.
Rückblickend hat die Geschichte des sambischen Weltraumprojekts Züge politischer Aktionskunst, eines Publicity-Stunts und halbernsten Ehrgeizes. Ob das Ganze ernstgemeint war? Schwer zu sagen.
1984

Bis heute halten Betrachter dieses Fotos den Atem an: Bruce McCandless bewegt sich frei im Weltall. Er hat die Challenger verlassen– kein Seil, das ihn sichern, kein Schlauch, der ihn versorgen könnte. McCandless II ist 1984 der erste Mensch, der sich in dieses ultimative Ausgesetztsein wagt. Crew-Kollegen schießen davon eines der ikonischen Fotos der Raumfahrt. Technisch ist dieser Freigang nicht wirklich schwierig, denn die Manned Maneuvering Unit – Druckanzug plus aufgeschnallter Raketenantrieb – ist über 24 kleine Schubdüsen mit den Händen steuerbar. Das Abenteuer der völligen Losgelöstheit findet eher im Kopf statt. Und nicht nur in dem von Bruce McCandless.
2015

Die Vorgeschichte des BioSuit ist ziemlich einmalig: Die Realität hat die frühe Forschung und die Science-Fiction überholt. Das berühmte MIT (Massachusetts Institute of Technology) hat in den 50er Jahren die Idee eines ultraleichten Anzugs, bei dem nur der Helm unter Druck gesetzt wird – und setzt sie ein halbes Jahrhundert später fast 1:1 um. Der hautnahe Anzug schützt ähnlich, wie es ein Kompressionsstrumpf im Flugzeug tut, wenn er nur fest genug sitzt und stabil konstruiert ist. Die große Herausforderung ist die Kühlung des Raumanzugs, die im Sonnenlicht für den Astronauten lebensnotwendig ist. Druckanzüge für den ganzen Körper haben meist eine Wasserkühlung.
2017

Das Zeitalter der privaten Raumfahrt scheint gekommen. Der Visionär und Tesla-Kopf Elon Musk präsentiert 2017 einen Raumanzug für sein privates Raumfahrtunternehmen SpaceX, das letztlich die Kolonisierung anderer Planeten möglich machen soll. Die Kapsel im Bild soll zunächst Astronauten der NASA zur Internationalen Raumstation ISS transportieren und zurückbringen. CEO Musk hat durchaus auch Sinn für adäquates Design: Sein Space Suit erinnert an einen Rennanzug aus der Formel 1 – und ein wenig an „Star Wars“.
2017

Die ISS hat ein Problem. Während die NASA eine neue Kollektion ihrer Raumanzüge vorstellt, werden sie auf der Internationalen Raumstation langsam Mangelware. Die von der ISS-Besatzung derzeit für Weltraumspaziergänge genutzten Anzüge wurden vor gut 40 Jahren entworfen; neue Anzüge sind noch Jahre von der Produktion entfernt. Raumanzüge, die im Astronautensprech „extravehikuläre Mobilitätseinheit“ heißen, sind nämlich komplett autarke lebenserhaltende Systeme, quasi Raumschiffe im Kleinen. Sie wiegen rund 130 Kilogramm und kosten um die 12 Millionen Dollar das Stück. Neue Modelle sollen vor allem in zwei Punkten besser werden: Sie sollen noch besser bei noch weiteren Reisen ins All – auf geht’s Richtung Mars! – schützen und mehr Bewegungsfreiraum bieten. Bis es so weit ist, müssen die Astronauten auf der ISS noch viel improvisieren!
2017

Der stört fast gar nicht: 2017 präsentiert die NASA diverse neue Raumanzüge, darunter den PXS (Prototype Exploration Suit). Sein Highlight: Das Knie beim Space Walk im rechten Winkel beugen zu können. Für Kenner eine Sensation! Die steife Panzerung der heute gar nicht mehr aktuellen Generation von Druckanzügen ist eines der größten Probleme für Astronauten. Noch ein super Feature des PXS: Bei Bedarf können Astronauten Einzelteile des Anzugs an Bord einfach 3D-drucken. Damit würden peinliche Nachrichten entfallen wie die vom März 2019, als erstmals zwei Frauen gemeinsam von der ISS in den Außeneinsatz wollten: Es gab nur einen passenden Anzug.
2018

Spacefashion made in India: Nach den USA, Russland und China wird Indien wohl die vierte Nation mit eigenem Programm für die bemannte Raumfahrt sein. Davon zeugt der Prototyp einer eigenen extravehikulären Mobilitätseinheit. 2022 soll die erste indische Weltraummission starten. Rechtzeitig zum 75. Unabhängigkeitstag des Landes.