Der Goldpreis könnte nach Ansicht des weltgrößten Recyclers und Händlers von Edelmetallen, Heraeus Precious Metals, im kommenden Jahr in Euro gerechnet auf ein Rekordhoch steigen. „In Zeiten des anhaltenden Ukraine-Kriegs, der hohen Inflation und der wachsenden Rezessionssorgen bleibt Gold im Fokus vieler Anleger“, sagte Henrik Marx, Leiter Edelmetallhandel - Heraeus Precious Metals, bei der Vorstellung der jährlichen Edelmetallprognose.
Der Goldpreis wird stark von der Entwicklung des Dollar abhängen. Die Heraeus Experten gehen davon aus, dass die US-Notenbank Fed im Laufe des Jahres 2023 ihre Geldpolitik leicht ändern wird. Schließlich dürfte die Inflation weiter nachlassen und eine schwächelnde US-Wirtschaft in den Fokus der Währungshüter rücken. Sollte die Fed die Zinsen stabil halten oder sogar senken, könnte dies den Goldpreis unterstützen. Ein Rekordhoch für Gold in Euro ist durchaus möglich, wenn der Goldpreis auf diese Signale überproportional positiv im Vergleich zum Dollar reagiert. Den bisherigen Höchststand hatte Gold im März 2022 bei rund 1870 Euro je Feinunze markiert. In der US-Währung gehandelt sieht Heraeus eine Bandbreite von 1.620 bis 1.920 Dollar je Feinunze.
Bei Silber sollte eine moderat steigende Nachfrage nach Smartphones den Preis stützen. Für 2023 erwarten die Heraeus Experten mehr Verkäufe von 5G-fähigen Geräten – dies dürfte die Silbernachfrage ankurbeln. Zudem sollte die Nachfrage nach Photovoltaik auch 2023 weiter steigen. Dagegen dürfte die Nachfrage nach Silberschmuck im Vergleich zum Vorjahr zurückgehen. Da die Minenproduktion schrittweise zunehmen könnte, ist das Preispotenzial für Silber nach oben begrenzt. Sollte die Fed aber wie erwartet ihre aggressive Zinspolitik ändern, dürfte das den Dollarkurs drücken und den Silberpreis, ähnlich wie bei Gold, unterstützen. Heraeus geht von einer Bandbreite zwischen 17 bis 25 Dollar je Feinunze aus.
Für den industriellen Platinmarkt erwartet Heraeus einen Überschuss. Die Primärförderung wird 2023 voraussichtlich um zehn Prozent steigen. Dagegen dürfte das sekundäre Angebot leicht sinken. Auch die Rückgewinnung von Platin aus verbrauchten Autokatalysatoren sollte zurückgehen, da die Nachfrage nach Gebrauchtwagen als Folge der Chipkrise weiter hoch ist. Langfristig wird die Verwendung von Platin in der Wasserstoffwirtschaft allerdings zunehmen, da die Zahl der PEM-Elektrolyseur-Installationen steigt. Die Bandbreite bei Platin liegt laut Heraeus zwischen 800 bis 1.150 Dollar je Feinunze.
Für Palladium zeigen sich die Heraeus Experten skeptisch. Der Markt dürfte im nächsten Jahr einen Überschuss aufweisen. Die Palladiumnachfrage der Automobilindustrie - mit mehr als 80 Prozent der größte Abnehmer - sollte sich kaum verändern, da sich die Effekte ausgleichen. Die Pkw-Produktion erholt sich, Verbrennungsmotoren verlieren jedoch Marktanteile an batteriebetriebene Elektrofahrzeuge.
Der immer noch höhere Palladiumpreis im Vergleich zu Platin wird die Substitution von Palladium durch Platin weiter beschleunigen. Die Nachfrage im Elektro-, Chemie- und Dentalsektor wird ebenfalls erneut zurückgehen. Da rund 40 Prozent des Palladium-Angebots aus Russland stammen, könnten mögliche - wenn auch unwahrscheinliche - Sanktionen gegen das Land oder dessen Rohstoffexporteure zu Preisrisiken führen. Heraeus beziffert die Bandbreite auf 1.300 bis 2.250 Dollar je Feinunze.
Bei Rhodium, das ebenfalls sehr stark von der Nachfrage aus der Autoindustrie abhängig ist, sind die Aussichten laut Heraeus gleichfalls eher negativ zu bewerten. Da sich die weltweite Nachfrage voraussichtlich kaum ändern wird, dürfte die Erholung des Primärangebots in Südafrika im nächsten Jahr ausreichen, um den Markt von einem leichten Defizit in diesem Jahr in einen Überschuss zu drehen. Diese Entwicklung wird den historisch betrachtet immer noch sehr hohen Preis belasten. Zugleich dürfte sich das sekundäre Angebot kaum verändern. Der Rhodiumpreis sollte sich 2023 wieder in einer hohen Bandbreite zwischen 9.000 und 15.500 Dollar je Feinunze bewegen.
Bei Ruthenium dürfte sich die Rückkehr zu niedrigeren Preisniveaus fortsetzen. Die Heraeus Experten sehen eine Preisspanne zwischen 400 und 650 Dollar je Feinunze. Das Metall, das vor allem in der Elektronikindustrie verwendet wird, dürfte 2023 einen leichten Überschuss aufweisen. Zwar könnte der Markt zu Beginn des Jahres angespannt sein, doch dürfte sich die Lage verbessern, sobald die in Südafrika angehäuften Bestände verarbeitet sind und der Preis tendenziell sinken wird.
Iridium sollte die Talsohle erreicht haben. Die Nachfrage dürfte wegen des zunehmenden Einsatzes von PEM-Elektrolyseuren in der Wasserstoffindustrie 2023 leicht steigen. Dieser Trend dürfte sich in den folgenden Jahren verstärken. Zugleich wird das Angebot aus Südafrika, das rund 80 Prozent des weltweiten Iridium-Angebots stellt, voraussichtlich nur leicht zulegen. Allerdings bestehen potenzielle Risiken für die Produktion im nächsten Jahr. In Südafrika könnte es auch im nächsten Jahr zu Stromausfällen kommen, die die Produktion einschränken würden. Das könnte in dem engen Iridium-Markt zu weiteren positiven Preisimpulsen führen. Der Iridiumpreis dürfte sich zwischen 3.700 und 6.500 Dollar je Feinunze bewegen.